24-04-2018 … Paradise is here

Um 6 Uhr gab es Frühstück in der gemütlichen Herberge - Miso-Suppe, Lachs, Reis, Gemüse und Kiwis. Und das, wo ich normalerweise nicht frühstücke!

 

Wie gemeldet regnete es am Morgen leicht, deshalb hatten wir es nicht allzu eilig - und Adulio und ich brachen um 8:30 Uhr auf. Er war guter Dinge, was sich aber nach den ersten Anstiegen im Wald wieder legte - schließlich konnte ich ihn davon überzeugen, dass er umkehrt und zumindest versucht auf der Straße weiterzukommen - oder gar einen Ruhetag einzulegen. So hatte das keinen Wert. Soledad und 3 japanische ältere Ladies wurden überholt und überholten immer wieder, bis es schließlich ab dem Gipfel des Anstiegs sehr lange bergab ging, bestimmt 20 Minuten ging es talwärts. Der Weg führte (leider immer auf Asphalt) hinunter zum Fluss Akui - an dem es dann fast 16 km entlang ging bis nach Dainichiji, zum Tempel 13. Zuvor lag eine 7/11 auf dem Weg - Nahrungsaufnahme. Diesmal ohne laut schreiende Verkäuferin - meine These hat sich also noch nicht bewahrheitet. Und weil mein japanisch ( und vielleicht mein Farbverständnis) nicht so gut ist, hab ich mir statt einem Liter Kakao einen Liter kalten Kaffee gekauft - Soledad hab ich erzählt, das sei Absicht gewesen. Wir haben und kurz vor T13 wieder getroffen und marschieren seitdem zusammen durch die Landschaft. 

Da der Pilgerweg eine Schleife zieht, befanden wir uns ab hier wieder im Großraum Tokushima - wie zum Beginn der Wanderung. T14 - T 16 lagen deshalb alle auf einer Strecke von ca. 5 km und wurden bis zum „Büroschluss“ um 17:00 Uhr besucht. 

Nach einem kurzen Blick in den „Route Guide“, ein Büchlein, das hier eigentlich jeder Pilger (zumindest jeder westliche Pilger) dabei hat, verriet uns, dass auf halbem Weg zu T17 eine weiter Henrohütte am Weg liegt. Direkt hinter einem „Family Markt“ Supermarkt.

Dort angegekommen sah es aber nicht aus, als ob es da so eine Hütte gäbe! Also hat Soledad (die etwas mehr japanisch spricht) im Supermarkt danach gefragt. Die Verkäuferin kam gleich mit aus dem Laden, und führte uns in ein benachbartes Taxiunternehmen (eine ziemlich große Garage), in dem der Unternehmer 3 Schlafräume nebst Toilette und Dusche für Pilger (Henros) bereit stellt. Kostenfrei. Der pure Luxus - wir hatten uns auf eine zügige Hütte mit Aussicht auf Regen eingestellt, und bezogen zwei Schlafräume im Obergeschoss über der Garage. Mit Bastmatten und allerhand Decken ausgestattet. Der 72-jährige Besitzer, ein total netter und freundlicher Mann, begrüßte uns aufs herzlichste, zeigte und alles und erklärte uns den Weg zum nahegelegenen Supermarkt, wo es immer „Discount“ gäbe. Soledad war der erste chilenische Pilger den er beherbergte, das musste er gleich seiner Frau am Telefon weitergeben - und ein „aah Deutsch“ sei auch da.

Nach Zimmerbezug und einer kurzen Dusche (die sind hier echt witzig, äh winzig .... das sind 1X1 m Duschwannen, mit einer Höhe von 80 cm würde ich mal sagen) ging es dann in den ersten japanischen Supermarkt meines Leben.

Schön bunt ist es da. Es gibt sehr viel günstiges vorgekochtes und rohes Essen, oft in Singlegrösse abgepackt, viel frisches Gemüse und auch viele süße Sachen.

Da ich Mittags ja schon Nudeln und Chicken hatte, kaufte ich mir nur 3 kleine Fleischspiesse und einen Nachtisch. Und diesmal richtigen Kakao, Absichtlich natürlich.

 Dann ging es zurück ins „Paradies“ und das gekaufte würde verdrückt. Schließlich war der Tag lang gewesen und wir hatten gut 30 km hinter uns gebracht. Überall in den Zimmern hingen diese japanischen „Nameslips“ (Osamefuda) an der Wand, diese Papierstreifen, auf dem die Pilger ihren Namen, das Datum ihres Besuchs im Tempel und ihre Wünsche hinterlassen. Diese Papierstreifen gibt man zum Dank auch an Personen weiter, die einem auf der Pilgerschaft behilflich waren. In den zwei Zimmern hängen hunderte davon - und in einer Holzbox waren noch weitere hunderte gestapelt. Dieser Taxiunternehmer hilft Pilgern seit Jahren - für mich ist er fast selbst schon ein Heiliger!

Von Aduilo haben wir den ganzen Tag nichts mehr gesehen oder gehört. Nur die 3 jap. Ladies haben wir in fast jedem Tempel getroffen. „Koniiii-chiiii-waaaa“!

25-04-2018 - und Beton brennt doch!

Dieser Tag ist schnell erzählt. In der Nacht hat es wie angekündigt kräftig geregnet und gestürmt - noch zwei Gründe warum ich froh um die Unterkunft war. In der Früh kam der Besitzer vorbei und meinte, wir können, falls das Wetter nicht gut ist, auch gerne noch ein, zwei Tage bleiben. Aber der Wetterbericht sieht gut aus für die nächsten Tage - und so haben wir uns herzlich verabschiedet und sind von dannen gezogen - Richtung T17.

Am T17 trafen wir wieder auf die drei japanischen Ladies und es wurde wieder herzhaft gelacht. Japanisch müsste man können!

Danach ging es unglaubliche 33 km entlang diverser 2- und 3-spurigen Straßen durch Tokushima. Über Tempel 18 zu T19. Dort kalligraphierte ein witziger Mönch unsere Bücher, er war begeistert über soviel internationale Pilger - mal sehen ob er sich die nächsten Jahre auch so freut. Mittlerweile sind es bereits über 20% ausländische Pilger - Tendenz rapide steigend.

Das Asphaltlaufen war so öde (über 8 Stunden), da hab ich sogar den an der Straße liegenden McDonalds selbiges lassen (liegen).

Der einzige Aufreger war, als plötzlich ein weißes Auto vom Mittelstreifen nach sinnen zog und abrupt (schreibt man das so? lol) neben uns zu halten kam. Oh my god, wieder die Polizei, hab ich gedacht. Aber es war der Taxichef, bei dem wir übernachtet hatten. Er war gerade mit seiner Frau unterwegs und als er uns gesehen hat, hat er uns ihr gleich vorgestellt: „Chily und Deutsch“! Leider gibt es kein Foto - aber 4 so breite Grinsen hätten das Format gesprengt!

 Soweit, so gut - auf der Straßenkarte im Route-Guide haben wir ein paar Kilometer nach T19 wieder das Symbol einer Henrohut entdeckt - dahin wollten wir uns noch schleppen, aber nicht weiter. Es war ein langer Tag mit Hitze, Asphalt und 36 Kilometern.

Die Hütte stellte sich als äußerst komfortable Übernachtunsmöglichkeit heraus. Bestimmt über 25 qm mit genug Platz zum schlafen, einem großen Tisch, 4 Stühlen und sogar einer Herdplatte nebst Teekessel, Töpfen und Geschirr. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir im letzten Ort eingekauft - so durfte Soledad „ Idahoan Mashed Potatos“ Kartoffelpürree genießen - ein PCT Überbleibsel. Und es hat geschmeckt. 

Bilanz des Tages - je eine Blase hinten links und hinten rechts. 

Morgen stehen wieder zwei laange Auf- und Abstiege an. Allerdings sollen T20 und T22 es wert sein.

 

 

26-04-2018 ... auf und nieder immer wieder

Heute Früh hab ich noch etwas an der Technik meines Blogs schrauben müssen - das Handling der Fotos nervt, andauernd wird die Reihenfolge irgendwie durcheinander gewürfelt - damit müsst ihr und ich leben … Deshalb hat sich Soledad schon einiges Früher vom Acker gemacht und die Befürchtete „Ochsentour“ in Angriff genommen. es ging wirklich heftig in Höhe - zwar durch den Wald, aber meiste mit so breiten Holzstufen - die musst du immer mit Zwischenschritt nehmen - und mit 14 Kilo auf dem Buckel ist das kein Spaß. Fast 3 Stunden hab ich zu Tempel 20 gebraucht, und wahrscheinlich 6 Drinks aus den überall in den Ortschaften positionierten Automaten.

Auf dem PCT waren die Getränke während des laufens überhaupt kein Kostenfaktor, da hast du Wasser aus dem Fluss oder aus der Pferdetränke gefiltert - fertig. Hier stehen alle kilometer Automaten mit 8 Grad kalten Getränken und schauen sich mit großen Geldschlitzen an. Die Preise gehen an sich (0,80 - 1,50 EUR), aber die Masse macht’s - man, was könnt ich saufen den ganzen Tag. Gut, es ist ja aber auch Sonnenbrandwetter ....

Doch zurück zu T20 - von dem es natürlich steil bergab ging - bis hinunter zum Fluss. Über Holz- und Steinstufen, alles bestimmt nicht grad gelenkschonend - fragen Sie Ihren Arzt oder sonst wen. Während des ganzen Abstiegs ging mir der gestrige Satz von Oliver, dem Admin einer Shikoku-Facebookgruppe, nicht aus dem Kopf: „Zu Tempel 22 geht auch eine Seilbahn hoch - ich erzähl‘s auch keinem weiter“ …da stand ich nun an der Brücke über den Fluss, links ging es wieder 4 km steil nach oben, rechts ging es flach entlang der Straße zur Seilbahn. 

Aber just in diesem Moment kam von hinten ein japanischer Pilger vorbei, mit dem heute schon 3-5  mal das lustige „Leapfrog Spiel“ gespielt hatte: mal überhol ich dich - mal überholst du mich. 

Ok - wenn Mr. Moto ( so nenn ich ihn) den Steilhang nimmt ( mit ähnlich viel Gepäck wie ich - dann mach ich das auch! Und schwups - kaum 2,5 Stunden später (mir Rast war ich oben). 

T20 und T21 sind wirklich wunderschön - und durch ihre besondere Lage auch sehr ruhig und andächtig. Die Tempel und Anlagen werden durch die Mönche (oder Mönche in Ausbildung) gepflegt und mit viel Hingabe unterhalten. In beiden Tempeln war sehr wenig los - kann daran liegen, dass sie auch von Parkplätzen nicht stressfrei zu erreichen sind *zwinker*

Keine Spur von Soledad, aber die hat eh ein Wahnsinnstempo drauf, außerdem wollte sie heute unbedingt noch T22 schaffen. Das wollte ich mir nicht antun, deshalb beschloss ich den erneut steilen, diesmal geteerten) Abstieg anzugehen und im nächsten Dorf eine geeignete Unterkunft zu suchen. Duschen wäre nicht schlecht,nach den letzten beiden heißen Tagen! Laut Buch gab es dort eine offene Henrohütte, eine Busunterkunft und ein Hotel. Hotel sah ich keines, die offenen Hütten waren heute auch nicht mein Geschmack und so schickte ich mich an auf der Straße weiter zu ziehen. Da rief mir ein junger Mann hinterher und winkte. Er sei dem Manager von dem Hotel - und i h könne gerne bleiben, wenn ich wolle. Er könnte mir aber auch die nächste Henrohütte mit dem Auto zeigen - vielleicht wolle ich ja lieber dort bleiben. Ok hab ich mir gedacht, DAS ist also das Hotel - interessant. Sah von außen nicht unbedingt so aus, aber innen ist es wirklich ansehnlich - für Pilger. Wir einigten uns auf einen Sonderpreis für Dahergelaufene und ich kam in den Genuss meiner ersten japanischen Eimerdusche. Da sitzt du halt so auf einem weißen Plastikeimerchen, seifst dich gründlich ein und duschst dich dann ab. Alle Armaturen sind in der passenden Höhe angebracht - auch der Spiegel.

Man,  ich schreib mir hier echt einen ab - aber die Eindrücke und Erlebnisse sind kolossal. Und ich hab noch nix meiner Idee der japanischen Motivationskarten für Wanderwege in Europa erzählt!

Kurz nach mir checkte auch noch Mr. Moto ein und wir teilen uns den großen Schlafsaal und die Waschmaschine. Das Hotel mit einer über hundertjährigen Geschichte als Pilgerunterkunft war länger geschlossen und kann jetzt unter einer neuen Plattform für Unterkünfte auf dem Shikoku gebucht werden ( www.henrohouse.jp ) gebucht werden. Der junge Manager Aki spricht excellent englisch und gab mir während eines langem Gesprächs tolle Tips für den kommenden Tag, bezüglich Verpflegung und Unterkunft. 

 So Kinders, es ist jetzt fast 22:00 Uhr - Mr. Moto schnarcht schon und ich bin auch durch für heute. Mein rechtes Knie meckert ein wenig - ich hoffe das legt sich mit mir ...

27-04-2018 … lost and found

Mr. Moto und ich hatten eine kurze Nacht, er, weil er einen ganzen Bambus-Wald gesägt hat - und ich deswegen auch. Ich brachte meinen Blog auf Vordermann und startete um 7:40 Uhr - zum Frühstück schenkte mir Aki auch noch zwei Reisbällchen zum essen. Zum T22 waren es knapp 10 Kilometer - und verliefen einmal steil im Wald (rauf und runter) und asphaltier. T22 hat mir bisher mit am besten gefallen, der Haupttempel an einem Hang gelegen ist wieder über steile Steintreppen zu erreichen, der zweite Tempel ist etwas kleiner und eingebettete in einen sehr gepflegten Garten - sehr inspirierend. Hier holte mich auch Mr. Moto ( eigentlich Onjishi) wieder ein, den ich vorher beim Abstieg überholt hatte. Es lief toll soweit, und ich freute mich schon auf die Alternativroute, die Aki mir gestern empfohlen hatte: nur einige Kilometer der Hauptstraße folgen, dann links abbiegen und den Fluss überqueren - von da aus führte dieser Weg am Meer entlang zu T23.

Ja klar, das machte ich und wunderte mich 1,5 Std. später, dass ein Hinweisschild den Weg zu einem Staudamm wies, den ich bereits vor 2 Stunden passiert hatte. OMG - ich hatte den falschen Weg genommen ... aber OK, jetzt mal ehrlich - wer von Euch hat sich denn noch nie verlaufen - in Japan. Wer ohne Schuld ist werfe die erste Gebetsmühle. Ich musste mich also sputeten um vor 15:00 Uhr bei Tempel 23 zu sein. Da kam es mir ganz recht, dass in der nächsten Ortschaft  ein kleiner Bahnhof war und ich mich entschloss zwei Stationen mit dem Zug zu fahren. Die Kilometer weiß schließlich gelaufen. An der  an der Station ist du dich aus und lief natürlich promt wieder in die falsche Richtung, dabei weiß ich nicht mal was links und rechts auf Japanisch heißt. Ich bemerke meinen Fehler und kehrte um, da  da hilft auch schon einen weißer Kombi und eine Frau gestikulierte wild, dass  dass sie gesehen habe, dass ich in die falsche Richtung gehe und sie möchte mir die richtige Richtung zeigen. Sie erklärte mir armwedelnd die nächste 4 Kilometer, bedankte sich und für von dannen.  200 m weiter vorne hat sie an stieg aus dem Auto und kam im Laufschritt auf mich zu. Hatte sie etwas vergessen? Ja – sie hatte doch glatt vergessen mir eine Flasche Wasser zu schenken, das holte sie aber umgehend nach. 

Von da an ging es ohne weitere Vorkomnisse zu T23, an dessen Eingang Adulio gerade seinen Rucksack packte um weiterzuwandern. Er lief auf mich zu, umarmte mich und erzählte mir, was er sondier letzten Tage getrieben habe und wie er zu T23 gekommen ist … vermutete ich.

T32 liegt hoch über der Stadt und man hat bei klarerem Wetter bestimmt eine tolle Aussicht auf den Hafen und die Stadt. Gerade war es sehr wolkig und es fing auch an zu tröpfeln. Aduilo wartete meinen Tempelbesuch ab und wir machten uns wieder auf den Weg. Allerdings teilte ich ihm nach einem kurzen Stopp in einem Kombini mit, dass er mit mir als ständigen Begleiter nicht rechnen könne - es steht eine „tempellose“ Strecke von 75 Kilometern an, die ich möglichst in zwei Tagen schaffen möchte. Er nahm meinen Rat an, doch gleich hier in der Stadt zu übernachten, ich wollte noch einige Kilometer weiter.

Heute habe ich das erste mal seit dem PCT in 2016 wieder mein Zelt aufgebaut - und das 3x so lange gedauert wie damals. Au Backe. Ich zelte auf dem Parkplatz eines kleinen Cafés mit Hofladen direkt an der Hauptstraße. Das Café/die Bar schließt um 20:00 Uhr - da sollte also kein großer Verkehr mehr sein auf dem Parkplatz. Der junge Manager hat zwar erst etwas komisch geschaut, als ich ihm mein Anliegen händeringend äher brachte, scheinbar ist noch kein Pilger auf die Idee gekommen hier zu campen, aber er willigte ein.

Endlich wieder unter dem Sternenhimmel schlafen und von der Thermarest Luftmatratze in der Schlaf gequietscht werden ... home sweet home.