29-04-2018

Der Henroturm sah besser aus, als er war. Die ganze Nacht pfiff der Wind um meine Nase und die Moskitos waren auch sehr aktiv. Aber ok - in der Früh ging es um kurz nach Sieben wieder auf die Piste. Der ganze Tag war heiß - über 30 Grad und es ging hauptsächlich entlang der Hauptstraße. Unterwegs traf ich zuerst Onishi wieder, der zugab zwischendurch mit dem Zug gefahren zu sein - der Schlingel, wer macht denn sowas? Danach traf ich das Vater und Sohn Gespann Konrad und Alex aus London. Die beiden traf ich noch öfter unterwegs. Am frühen Nachmittag gab es dann Trailmagic: eine Reihe älteren Frauen hatte auf einem Parkplatz ein großes Zelt aufgebaut und verteilten Wasser und Reisbällchen an die Wanderer - fantastisch!  

Ich wollte 4-5 km vor Tempel 24 nächtigen und im Guidebook war da eine Logde eingetragen, also machte ich mich mit den beiden Briten auf die Suche. 

Wir liefen die Strasse entlang und schließlich fragte ich in einer offenen Halle einem jungen Mann nach der Lodge. Er meinte, wir seien da schon vorbei aber rief dort an - niemand da. Konrad und Alex reisen mit leichtem Gepäck und wollten weiter zum nächsten Hotel. Ich fragte nach einem Platz zum campen. 

Toro erklärte mir den Weg zum „Park“, wo ich mein Zelt aufschlagen könne und ich lief los. Kurze Zeit später lief ich dann an besagter Lodge vorbei, aber sie war wirklich geschlossen. Der Nachbar geleitete mich dann in Schlappen sicher zum Park und ich begann mein Zelt aufzubauen. Plötzlich stand außer Atem Toro vor mir, der sich tausendmal dafür entschuldigte, dass er nicht gewusst habe, wo die Lodge genau war - und dass seine Information nicht richtig war (die Lodge hatte eh geschlossen!) Ich erteilte ihm Absolution, froh um meinen schönen Zeltplatz und entließ den armen Kerl. Am nächsten Morgen traf ich Konrad und Alex wieder und sie erzählten mir, dass Toro auch Ihnen hinterher gelaufen war, um sich zu entschuldigen – only in Japan.

Das war ein langer 36 km Tag - und meine Füße glühten - ich legte mich ins Zelt und war sofort weg ...

 

 

30-04-2018 Es tempelt wieder!

Ich habe wunderbar geschlafen im Zelt, die dezente Brandung im Hintergrund und kein Wind. Um 7:15 Uhr ging es los auf den Pilgerpfad. Nach einigen Minuten erreichte ich die „Mikurodo“ Grotte, in der Kukai als 19-jähriger eine mystische Erscheinung hatte. Leider ist diese Höhle gerade wegen Felssturzgefahr gesperrt - normalerweise ist sie beleuchtet und mit Kerzen geschmückt. Dort traf ich auch Konrad und Alex wieder, die in einem Hotel ganz in der Nähe genächtigt hatten.

Unweit der Grotte ging es durch den Wald hoch und weit hinauf zum Tempel 24. Eine sehr schöne, großzügige Tempelanlage, hoch auf einem Cap gelegen. Danach ein steiler asphaltierter Abstieg auf dem Seitenstreifen der Straße und 6,8 km Weg zu Tempel 25. Dort lag der Haupttempel wieder gut hundert Stufen über dem Eingang. Nach den zwei reinen Lauftagen musste ich mich erst wieder an die Tempelrieten erinnern … aber ich liebe das Schlagen der großen Glocke, mit der der Pilger seine Ankunft vermeldet. 4 km weiter wartete schon T26 auf meinem Besuch. Dieser Tempel lag wieder abseits der Küste, im Wald - und im Gegensatz zu T25 eher ruhig gelegen.

Für die Nacht hatte ich bei henrohouse.jp eine Unterkunft ca. 16 km entfernt gebucht. Aber der Weg dahin war höllisch heiß und anstrengend. Ich habe zwei nervige Blasen an den Fußballen, die fordern Tribut. Glücklich angekommen an meiner Unterkunft erklärte mir der Besitzer (66), dass es leider zu einer Überbuchung gekommen sei, und seine beiden Schlafplätze im ersten Stock schon über Air'BnB belegt sein. Allerdings könne ich im Wohnbereich auf dem Boden schlafen. Natürlich sagte ich zu und der freundliche Herr fuhr mich anschließend noch zum 5 km entfernten Supermarkt, damit ich mich verpflegen konnte! Zusammen mit den anderen beiden japanischen Gästen nahmen wir dann gemeinsam in der Küche unser Abendessen zu uns - es war sehr lustig, da die anderen beiden Gäste auch etwas englisch sprachen.

Morgen möchte ich es etwas ruhiger angehen und evtl. in einem weiteren henrohouse nächtigen und nur 24 km laufen. 

 

01-05-2018 Ein Tempel und Aussicht auf Ruhe

Nach einem richtig guten Frühstück mit Toast, Eiern und Speck ging es weiter - durch ganz Nahari Town immer am Meer entlang Richtung Tonohama. Dort ließ ich meinen Rucksack an einer Abzweigung bei einem älteren Bauern zurück, da ich die selben 3,2 Kilometer, die ich zum Tempel zu gehen hatte, auch wieder zurück gehen würde. Mit Händen und Füßen erklärte ich ihn mein Vorhaben und fragte so, ob es ok sei, dass ich meinen schweren Rucksack bei ihm an der Scheunenwand stehen lassen würde. "Klar, lass dem Krempel einfach da", wird er gesagt haben ...

Mein Vermieter meinte in der Früh auch „no one will steal your backpack ... too heavy for japanese people“ und hat laut gelacht. Also begab ich mit diesen steilen Berg hoch zu T24. Dort gab es einen richtig schön gepflegten kleinen Garten inklusive Koiteich. Der Tempel selbst war auch richtig schön - aber wahrscheinlich empfindet man das umso mehr, je anstrengender der Weg dahin ist. Natürlich ging es auch wieder steil bergab und meine Blasen an den Fusssohlen unterhalb der Zehen meldeten Protest an. Ich hatte dann noch gut 8 Kilometer zu gehen zu meiner Übernachtungsmöglichkeit. 

Dort angekommen (insgesamt nach doch wieder 26 km) traf ich auf Silwyn einen 29-jährigen Holländer, der dort ebenfalls die Nacht verbrachte. Er ist seit insgesamt 6 Monaten auf Weltreise und besucht nach Russland, China, Australien und Neuseeland nunmehr Japan. Er hate gerade seinen Abschluss als Psychologe fertiggestellt und reist nun erstmal. Er hat keinen Eile, er ist bereits 17 Tage auf dem Shikoku-Henro unterwegs, hat noch genug Zeit und will danach erst noch einmal ein Jahr "work and travel" in Australien machen (bevor er 30 wird). Das Henrohouse ist total genial. Im ersten Stock eines unscheinbaren Gebäudes gibt es hier in Stockbetten Platz für insgesamt 12 Pilger, zwei Duschen, 2 Toiletten, einen Kühlschrank, einen Toaster und einen Wasserkocher. Die Einrichtung ist total neu - älter 3 Monate ist die Unterkunft bestimmt nicht! Wir hatten sie in der Nacht für uns allein.

Da der Wetterbericht für den gesamten nächsten Tag Regen meldete und ich meine Füße etwas schonen will, werde ich hier einen Ruhetag einlegen und morgen nicht wandern. Silwyn sieht das genauso! Wir verstehen uns. Also morgen ein Ruhetag in Aki City.

 

02-05-2018 Große Pause

Es hat heute wirklich den ganzen Tag geregnet - mal mehr, mal weniger. Deshalb haben wir müden Pilger etwas länger ausgeschlafen ... bis 8:00 Uhr. Das Schlechte an unserer Unterkunft ist, dass sie sehr weit außerhalb von Aki liegt - das gute ist: direkt vor der Tür ist eine Bushaltestelle. Also sind Silwyn und ich vormittags mit dem Bus (hinten einsteigen, Ticket ziehen und beim aussteigen vorn den Betrag bis zur Zielstation bezahlen) in die Stadt gefahren um Proviant einzukaufen. Ich liebe japanische Supermärkte jetzt schon - da rennen Köche rum, die andauernd frisch zubereitete Speisen unter Klarsichfolie verpackt in den Verkaufsraum legen - Sushi, frischer Fisch, Fleisch, Fleischspiesse, Nudeln und Kombinationen von alledem. Von dem ganzen Süsskram will ich gar nicht reden ... ein Paradies für Naschkatzen. Wir kauften für den heutigen Tag ein und Frühstück für morgen - dann fuhren wir wieder zurück zur Unterkunft. 

Es tut wirklich gut, mal einen Tag nicht viel zu laufen, dann kann mal sich auch untertags mal etwas hinlegen - die Stockbetten sind zwar ungewöhnlich geräumig - aber die Matratze wie üblich sehr übersichtlich dünn. Also doch wieder die Luftmatratze zusätzlich unterlegt. 

Haha, Bilder meiner Blasen zeig ich lieber nicht ... aber Leser, die mir schon länger auf den Fersen sind, wissen ja von meiner Leidensfähigkeit. Immerhin scheint mein Gangbild ziemlich symmetrisch zu sein, denn die beiden Blasen rechts und links hinten sind mittlerweile verheilt, und befinden sich spiegelverkehrt an der genau exakten Stelle beider Füße - und mit den Blasen unten im Zehenballenbereich verhält es sich genauso. Autschn.

Morgen werden wir beide weiterziehen, Silwyn hat vor 17 Kilometer zu gehen und noch eine Grotte abseits des Weges zu besichtigen, ich möchte etwas weiter heran am Tempel 28 (bis dahin sind es 32 km). Wir werden sehen.

 

Ok - Zeit etwas Generelles über mein momentanes Lieblingsthema zu schreiben: richtig - laufen auf der Straße.

In Japan ist übrigens „Linksverkehr“, das merke ich praktisch bei jedem Wechsel der Straßenseite. In Deutschland wird einem ja erklärt, man solle dem entgegenkommenden Verkehr auf seiner Fahrbahnseite entgegenlaufen. Praktiziere ich eigentlich auch immer - schließlich möchte ich dem Typen in die Augen sehen, bevor er mich von der Straße räumt! Hier in Japan sind die Seitenstreifen (und die Straßen ansich) meist sehr schmal. An der Küste sind die Straßen dazu auch noch sehr kurvig - so dass es oft nicht ratsam ist, dem Gegenverkehr entgegen zu laufen. Man läuft dann oft auf der Seite, auf der man eher und früher gesehen wird. Das wirklich Schlimme daran auf „seiner“ Seite zu laufen ist aber, dass es hier sehr viele Hybrid- und Elektroautos gibt. Du hörst also nicht, wenn sich ein Auto von hinten nähert, du merkst es erst, wenn es an dir vorbeifährt, da kann ich mich noch nicht wirklich gewöhnen.