20-04-2018

So, nach einer kurzen Nacht (wie schaffen es Leute denn bitte schon Tage oder wenigstens Stunden vor Abflug alles geregelt und gepackt zu haben?) ging es um 6:00 Uhr Richtung Flughafen München. Robin, mein Mittlerer, schlief auf der Hinfahrt ... und ich hoffe nur dort! Der Himmel wies die Richtung: Es ins Land der aufgehenden Sonne!

Meinen Rucksack (13 Kilo) habe ich chefmässig „Folieren“ lassen. Auf dem PCT habe ich das mir 25m Frischhaltefolie noch selbst gemacht ?

Dann ging es mit Air France über Paris nach Osaka. Hier drei Stunden Aufenthalt … bisschen den Smog über Paris geniessen und das gratis Wlan!

Im Flieger hatte ich mir einen Fensterplatz gebucht und machte mich über das Bordentertainment her ... da gab es sogar eine Doku über „Borussia Mönchengladbach“ … ok, ich hab ein paar richtige Krimis geschaut.

Essen war gut - Service top! So kann es weitergehen.

 

Bilder des Tages:

21-04-2018 „Ich in Japan“

Ok - nach einem 12 stündigen Flug bin ich in Osaka gelandet - so ziemlich ohne Schlaf aber durch das 1A Bordprogramm und die Verpflegung von Air France bestens versorgt. „France is in the air“.

Zunächst hatte ich bei der Einreise ziemlich zu kämpfen - der junge Grenzbeamte wollte mich erst ins Land lassen, wenn ich ein Hotel für die erste Nacht gebucht hätte. Zum Glück sprach er besser englisch als ich japanisch - und nachdem ich ihn meinen Shikoku Tourguide Wälzer vorgelegt hatte, mit zig Hotel-, Hostel und privaten Adressen zum Übernachten drin, hat er mich einreisen. Natürlich haben wir uns beide entschuldigt, dem jeweils anderen aufgehalten zu haben - das macht man hier so.

Ok - dann eine Wifi-Box für 42 Tage gemietet, Bargeld gezogen und ab in den Bus nach Tokushima. Ich will ja nicht angeben - aber bisher liegt ich voll im Zeitplan ;-)

in Tokushima angekommen habe ich wie üblich einen anderen Rentner getroffen, der sich mir gleich anschloss: Aduilo aus bella Italia.

Wir haben dann zusammen die ersten 3 Tempel besucht, dort die üblichen Rituale zelebriert und 2 Eiskaffee aus dem Automaten verputzt.

Auf dem Weg zu Tempel 4 (weitere 4,5 km) haben wir uns dann getrennt, weil Aduilo noch was essen wollte und früh Feierabend machen. ich wollte noch zu Tempel 4 - allerdings erklärte mir eine Anwohnerin kurz vor dem Tempel, dass er bereits geschlossen sei (17:30 Uhr). also werde ich in einer offenen „Henro Hut“ nächtigen und früh morgens mein Glück versuchen. Sayonara.

Bilder Tages:

22-04-2018 ... ich bin ein Tempelritter

Eigentlich habe ich ganz gut geschlafen auf der Holzbank. Trotzdem habe ich den Wecker auf 5:45 gestellt um früh am Tempel sein zu können. Gesagt - getan. Nur wussten das die Mönche nicht- der Tempel öffnet erst um 7:00 Uhr. 

Ok also am Tor gewartet und als Pilger Numero Uno einmaschiert.  

  1. Vor dem Haupttor andächtig verneigen
  2. Hände und Mund mit Wasser reinigen
  3. Den Gong schlagen
  4. 3 Räucherstäbchen und eine Kerze an Haupttempel anzünden 
  5. Deinen „Nameslip“ mit deinen Wünschen in den Behälter werfen 

Und dann das gleiche nochmal am Nebentempel - so langsam hab ich’s raus. Dann noch den Stempel und die Kalligraphie anfertigen lassen und wieder raus.

Am Tor nochmal umdrehen und verbeugen - und ab zum nächsten Tempel.

Bis zum Abend bin ich kurz vor Tempel 11 gekommen - ich bin jetzt fast Tempelritter!!

Als ich den Anstieg zu Tempel 7 in Angriff nahm kommt mir Aduilo mitweinet Gruppe asiatischer Pilger entgegen. Wie geht das denn? Und als ich dann total fertig (über 300 Steinstufen!) am Tempel 10 auf einer Bank saß und durchzuschnaufen kam (genauso fertig) der ältere Italiener an. Wie geht das denn? Der war doch nun vor mir gewesen - und nun, obwohl ich in Tempel 8 lange Pause gemacht hatte (und Ramen im Gefrierbeutel) war er wieder hinter mir?! 

Der murmelte irgendwas von gestern im Supermarkt einen Mann getroffen zu haben, der ihm eine günstige Übernachtungsmöglichkeit geboten habe ... bla bla - ach ja, er redet gerne. Und das obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich nur „poco Italiano parlare“. 

Ok - wir einigten uns darauf dass wir bis kurz vor den nächsten Tempel ( 9 Kilometer) zusammen gehen, etwas zu Essen besorgen und dann zusammen einen Schlafplatz suchen. - oder jeder allein einen. Aduilo wollte evtl. in eine kleine Pension von der er gelesen hatte. Ok - dann los: ich hatte auf der Karte für mich eigentlich den perfekten Schlafplatz gefunden. Wieder so eine Hütte, aber diesmal eine geschlossene direkt an einem Fluss, außerhalb der Stadt. Die Hütte hat aber nur einen Schlafplatz eine etwas erhöhte Holzbank, ca. einen Meter breit - der pure Luxus! Ich habe ja auch noch Ramen dabei - ich bräuchte eigentlich nix zu essen. Ach ja, hab ich ganz vergessen - bei meiner Mittagspause in Tempel 8 hatte ich ganz PCT-like einen Gefrierbeutel mir Ramen und Wasser in Sonne gelegt um eine warme Suppe zu haben. Das hat dann ein junges japanisches Pärchen gesehen, das ich schon in anderen Tempeln getroffen habe - die haben sich nicht mehr eingekriegt vor lachen ... „german engineering“ ... die würden alle sterben in der Sierra!

Nun zurück zum Abend: A. wollte unbedingt nich was zu essen kaufen und ich habe ein 2 km Entfernung einen 7/11 Laden entdeckt, der 24 Stunden geöffnet ist. Also habe ich ihn hin begleitet - er hat gemeint, vielleicht finden wir ja noch einen besseren Platz zum übernachten.

Also zum Laden gelaufen, essen und trinken gekauft ( weil morgen der höchste Abstieg auf der ganzen Pilgerschaft ansteht) 4-6 Stunden sind von Tempel 11 zu Tempel 12 veranschlagt.

Wir haben gleich vor dem Laden gegessen und unsere erste „Trailmagic“ bekommen - ein junger Mann hat uns zwei Energydrinks aus dem Laden mitgebracht - scheinbar sahen wir sehr fertig aus ...

Zum Übernachten haben wir nix gefunden, aber ein Stück zurück, an einem Videoshop vorbei stand an der Haupstrasse so eine kleine Pilgerhütte - überdacht aber nach 3 Seiten offen.

Ich hatte keine Lust mehr und meinte ich würde hier bleiben - A. wollte unbedingt ein richtiges Bett und zog allein los. Nach 10 Minuten kam er zurück und meinte, der Typ vom Videoladen hätte ein Hotel angerufen - das würde nur 25 EUR pro Person kosten. 

Ok - vielleicht doch ein Bett, eine Dusche und Steckdosen für die Elektrik - warum nicht. Also im Gänsemarsch an der Hauptstraße entlang zurück zum Videoladen - als auf halbem Weg plötzlich ein Auto vor uns hält. Japanische Zivilpolizei! Wo wir denn heute Nacht schlafen würden? Im Hotel! In welchem Hotel? Das wissen wir nicht! Warum wissen wir das nicht? Das der Typ in dem Laden! Das ist aber ein Videoverleih und kein Hotel! Genau! A. will vorbei am Polizisten,weil der Typ im Laden ja schließlich für ihn telefoniert hat ... Halt, so geht das nicht - hierbleiben. 

 

Kurze Werbeunterbrechung ....

 

... - hierbleiben. ( Bei der Werbung kommt immer ein Stück des letzten Teils vor der Werbung!)

Und wenn ihr meint, wir sprachen japanisch oder die Polizisten deutsch oder italienisch ... oder wenigstens englisch - falsch gedacht! 

Der eine Polizist und ich verständigten uns per Google-Übersetzungsapp! 

Ok - irgendwann war dann den beiden jungen Polizisten klar, dass der Mann im Videoladen das wohl aufklären können wird. Puh, Glück gehabt - also laufen wir dahin, die Polizei fährt.

Sie haben für die beiden Pilger ein Hotel rausgesucht? Nein, hab ich nicht - ich habe nur einen Videoverleih. Wie? Sie haben doch gerade vor 10 Minuten telefoniert und gesagt, es gäbe da ein günstiges Hotel (A.)!

Nein, ich habe nicht telefoniert. Stronzo! ( Rest zensiert).

Polizist: war wohl ein Missverständnis... wir rufen ein Hotel an. Ok. Kostet 45 EUR pro Person. Ist uns viel zu teuer! Sie können ja auch in so einer Pilgerhütte umsonst übernachten! Ja, ich wollte eh in der am Fluss übernachten ... Ok, wir fahren sie hin.

 

So - und so liegt A. auf der Holzbank und ich auf meiner Luftmatratze darunter ... 

Es sind in einer Stunde 3 Polizeiautos vorbeigefahren .... hmm.

Ach ja, die haben sich unsere Ausweisdaten natürlich notiert. Und irgendein japanischer Immigrationsofficer sagt sich morgen wahrscheinlich - der Civrny? Den wollte ich ja eh gar nicht reinlassen!

 

Da läufst du 4265km von México nach Kanada, zweimal durch ganz Spanien und denkst, du hättest alles erlebt - und dann das!

Das kann ja noch heiter werden ... ich hab A. gesagt, dass wir uns nach dem nächsten Tempel trennen werden, weil ich schneller gehe als er, der Kettenraucher. Mal sehen ;-)

Ach Entschuldigung, die Tempel sind übrigens fantastisch!

 

Bilder des Tages

 

 

23-04-2018 … von Tempel 11 zu Tempel 12

Heute ging es nach einer für mich ziemlich schlaflosen Nacht (4 Stunden maximal) um 6:30 Uhr Richtung Tempel 11. Ein schöner Tempel am Waldrand am Hang eines Berges gelegen. Wir waren mit die ersten Pilger und es herrschte eine ruhige und sehr andächtige Stimmung. In Tempel 8 und 10 hatte ich gestern schon ganze Pilgerströme aus Bussen aussteigen sehen- und in Tempel 10 war der Fahrer einer solchen Gruppe vor mir im Büro und hat 30 Pilgerbücher stempeln und kalligraphieren lassen … Autschn. Doch zurück zum heutigen Tag: Laut einhelliger Meinung aller Shikokupilger im Internet ist dies die schwerste Etappe - zwischen Tempel 11 und 12 gilt es auf einer Gesamtstrecke von 16 km knapp 2.500 Höhenmeter zu begehen. Dabei gilt es drei Anstiege und dazwischen zwei Abstiege zu bewältigen - auf Anstieg Nr. 3 befindet sich dann der Tempel.  

Eigentlich wollte ich heute etwas über meine These zu den jungen Verkäuferinnen im 7/11 Shop erzählen - die jeden Kunden, der den Laden betritt, lauthals anschreien, dass sie sich freuen ihn begrüßen zu dürfen, und sie hoffen, dass er hier ales finden möge, was sein Herz begehrt ... so hat sich das zumindest für mich angehört. Während ich gestern im Laden war, hat die Verkäuferin 8 weitere Eintretenden verbal lautstark aufs Herzlichste begrüßt. Gearbeitet und kassiert hat nur der Chef - natürlich immer mit einem herzlichen Lächeln. Aber Ok, aufgrund der heutigen Ereignisse werde ich die Story weiter recherchieren.

Es fing ganz gut an, A. ging etwas langsamer und ich wartete gelegentlich auf ihn. Zuerst traf ich auf dem Weg Soledad aus Chile, eine junge Frau die hervorragend englisch spricht (und auch italienisch) mit der ich gutes Stück gewandert bin. Sie reist sehr gerne und wandert überall auf der Welt - und sie hat eine Cousine in Dresden. 

Es war heute wieder recht heiß und mir rann der Schweiss in Fluten ... aber dafür ging es fast den ganzen Tag auf Wald-und Schotterwegen durchs Gelände, fast komplett ohne Asphalt. Meine Fussohlen dankten es mir. Überall entlang des Pilgerwegs stehen kleine, alte Statuen - zum Teil moosbewachsen, ein toller Anblick.

Etwas weiter auf dem Abschnitt überholte mich Kita, ein junger Japaner aus der Gegend, er betreibt Berglauf - im Dauerlauf(!!) nur ganz leichtem Rucksack. Er ist ein begeisterter Fußball und wir haben etwas über Bayern München gefachsimpelt - aktuell findet er Mats Hummels ganz toll. Er bot mir mehrfach von seinem Wasser an, gab mir 3 von seinen Energiedragees und rannte dann weiter. Ein Verrückter, dachte ich mir - er rennt hier rum, wo andere schon beim wandern am verzweifeln sind!

Ich machte dann wieder etwas länger Pause und A. sah schon nicht mehr so frisch aus - er hatte Schmerzen in den Beinen und war etwas kurzatmig. Als wir dann an der Hälfte des letzten Abstiegs waren - und ich ihm sagte, dass es nun noch einmal steil bergauf gehe - klappte er fast zusammen. Er konnte nicht mehr, er war fertig mit der Welt. Genau in diesem Augenblick kam uns Kita auf seinem Rückweg entgegen gelaufen. Ich fragte ihn ob unten im Tal die Straße sei, auf der man zum Tempel hoch ffahren kann, (weil die meisten japanischen Pilger ja Bus fahren). Nein, da sei nur einen kleine Straße - die Busse kämen aus einer anderen Richtung.

Aber er könne ein Taxi anrufen, welches unten auf der Straße warten würde und A. hoch zum Tempel fahren könne. Natürlich hatte er im Wald keinen Empfang - also düste er den Berg im Laufschritt wieder hinunter um ein Taxi anzurufen. Seiner Schätzung nach würde es 1000 Yen kosten (7,50 EUR).

Der Abstieg war steil und so war ich vor A. unten auf der Straße - Kita teilte mir mit, dass das Taxi 3000 Yen kosten würde - und das ja viel zu teuer wäre.

Also stoppte er einfachdas nächste Auto und fragte um Hilfe, die junge Frau erklärte, dass sie schnell noch etwas erledigen müssen, aber in 5 Minuten zurück wäre, um den Italiener zum Tempel zu fahren. Kita verdeutlichte mir nochmal, dass man auf keinen Fall Geld anbieten solle - das mögen die Japaner nicht, man gibt auch kein Trinkgeld in Japan, weil der (gute Service) inklusive ist.

Unglaublich - nach 5 Minuten war die Frau wieder da, und als A. den Abstieg vollendet hatte, wurde er ins Auto verfrachtet und zum Tempel gefahren - organisiert von zwei sich selbst und uns Wildfremden! Only in Japan ....

Ich hab dann den letzten Anstieg mit letzter Kraft und dem letzten Tropfen Wasser geschafft - diese Etappe hatte es wirklich in sich, die Leute erzählen keinen Mist. Der erste Tag auf dem Camino Frances über die Pyrinäen ist schon wirklich heftig, aber der hat nur einen Anstieg ... mit dem hier kann das nicht mithalten!

Dafür ist Tempel 12 traumhaft, übergroße Kūkai Statuen, 2 tolle Tempel und eine schöne auf dem Berg gelegene Anlage - ein Traum. Eingebettet in eine herrliche bewaldete Landschaft. Und kaum ist man am Tempeltor - hat man die Strapazen auch wieder vergessen. OK - ich brauchte erst eine eiskalte Cola aus dem Automaten. Zuckerrrr!

Da wir beide fertig und verschwitzt waren (A. meinte, es ginge ihm prima) haben wir beschlossen knapp 3 km weiter auf dem Pilgerweg zu laufen und in einer günstigen Privatunterkunft zu nächtigen (mit Dusche, Abendessen und Frühstück). Der Mönch im Büro kündigte uns dort telefonisch an.

Beim Abstieg hatte A. wieder massive Probleme mit den Knien und dem Atmen - ich hab ihm erklärt, dass er unbedingt einen oder zwei Ruhetage einlegen muss oder sein Weg sei früher beendet als er meinte, aber er ist wie ein störrische Esel. 

Die Unterkunft mit einem kleinen Laden wird von einem sehr netten älteren Ehepaar geleitet, wir bekamen tolles japanisches Essen (ich weiß nicht, was es alles war - aber es war lecker) und übernachten durften wir auf dünnen Matratzen auf dem Boden. Echt japanisch - und das Ganze für 4000 Yen ( 28 EUR). Soledad aus Chile ist auch hier und ein japanisches Ehepaar, das auch pilgert. 

Hah - für meine virtuose Darbietung mit meinen Essstäbchen würde ich besonders gelobt ... total nett diese Japaner! 

Morgen und übermorgen soll es regen … mal sehen.

 

Bilder des Tages: