17-05-2018 Der längste Tag

Tempel 45 ist etwas kompliziert zu erreichen, man läuft quasi von Kumakogen aus einen Kreis - rechts herum hin, auf zunächst Straße und dann Waldwegen, 11 Kilometer zum Tempel. Zurück dann links herum weitere 12 Kilometer Straße zurück in die Stadt. Ich ließ also meinen Rucksack in der Hotellobby (“so sorry”) und machte mich mit einem 2kg schweren Daypack auf den Weg ... Kelly war schon um 5:30 Uhr los, weil es ein heißer und länger Tag werden würde. Es war Mega schwül und es ging reichlich hoch und runter bis ich endlich T45 erreichte. Der Tempel steht von Bäumen umgeben direkt an einer hohen, fast senkrechten Felswand - beeindruckend.

Zurück ging ich dann mit Amelie aus Holland, die wir bereits gestern im Familymarkt kennengelernt hatten, sie hatte unweit des Tempels übernachtet. Sie ist aus Amsterdam und trägt einen großen 11 Kilo schweren Rucksack. Ein zähes Volk, diese Holländer. Am Ortseingang vom Kumakogen lief sie dann weiter Richtung T46, wo sie übernachten wollte. Ich musste erst zurück ins Hotel und meinen Rucksack holen - der fühlte sich nach 25 km mit nur 2,5 Kilo auf dem Rücken gleich viel schwerer an als in den Vortagen! 

Nun hieß es weitere 18 KM zu absolvieren um zu den Tempeln 46 und 47 zu kommen, die hatten wir uns eigentlich zum Ziel für diesen Tag erklärt. Es war immer noch schwül und 28 Grad warm - und nach einem langen aber sanften Aufstieg auf der Hauptstraße ging es dann steil und waldig bergab, T46 entgegen. In einem kleinen Dorf, 2 KM vor dem Tempel, saßen 3 ältere japanische Herrschaften in einer Holzhütte direkt am Henro und luden mich zu Keksen und grünem Tee ein. Die 2 Damen und der Mann waren super freundlich und sehr interessiert an allen Henro-Sans, sie hatten einen richtigen Fragenkatalog in engl./jap. und wollten wissen woher man kommt, wie einem das japanische Essen schmeckt und was einem an Japan besonders gefällt. Wir “plauderten” fast 20 Minuten und als ich Ihnen sagte, dass mir Japan sehr gut gefällt und ich am meisten so freundliche und hilfsbereite Japaner wie sie schätzte, strahlten die 3 mehr als Fokushima und Tschernobyl zusammen - ich schwör!

Gut gestärkt ging ich dann die letzten beiden Kilometer an und traf im Tempel 46 auf Kelly, die auch von der Begegnung mit den 3 Rentnern schwärmte. Nach dem Besuch von T46 und T47 (nur 1,8 KM weiter) stellte sich uns die Frage “Im Tempel übernachten ohne Essen - oder 5 KM weiter laufen und in einem Park am Ortsrand von Matsuyama Zelten - direkt neben einem Supermarkt?“ Gut, eigentlich stellte sich uns die Frage nicht - wir liefen weiter. Nach insgesamt 47,6 KM hatten wir dann den Park erreicht. Dort gab es sogar einen “Parkwächter”, der uns den besten Platz zum Zelten und die Toiletten zeigte. Als wir knapp 1,5 Stunden später in unseren Zelten lagen kam er nochmals vorbei, schwenkte eine Plastiktüte und fragte “Japanese beer OK?”

Göttlich - du hast deine eigene Security und die bringt dir auch noch ein Feierabendbier .... da kannst beruhigt schlafen gehen .... oyasumi nasay!

18-05-2018 Halbtags-Henros

Da der Tempel 48 in unmittelbarer Nähe zu unserem Campspot war und das Office dort erst um 7:00 Uhr öffnete, könnten wir etwas länger schlafen. Punkt 7:00 Uhr waren wir dann am Tempel und ich weckte erst mal alle mit der großen Glocke!

Die nächsten 3 Tempel (T49 - T51) befanden sich alle innerhalb von 11 KM und so waren wir schon vor mittag mit unserem Tagespensum durch - denn wir hatten uns vorgenommen, Freitag und Samstag in Matsuyama zu bleiben, zumal für Freitag Nacht und Samstag Regen angesagt war. Für Kelly war es außerdem der erste Ruhetag, seit sie bei Tempel 27 eingestiegen ist - die ersten 26 Tempel ihrer zweiten Shikokurunde hat sie bereits vor 2 Jahren absolviert. 

Matsuyama ist die Hauptstadt der Provinz Ehime und hat über eine halbe Millionen Einwohner. Kelly hat sich für zwei Nächte in einem Guesthouse eingemietet, das sie bereits kennt. Es ist dessen letztes offenes Wochenende, da der Bezitzer Matt die Unterkunft schließt, um eine neue, auf einer anderen Insel, zu eröffnen. Ich habe mich im APA Hotel eingemietet und freute mich schon sehr auf ein bisschen Luxus. 

Um kurz vor 15:00 Uhr konnte ich einchecken und das süße Nichtstun genießen. Auch mal schön. Am Abend begann es dann wirklich aus Eimern zu gießen und viel die Entscheidung einen ruhigen Abend im Zimmer zu verbringen um so leichter.

19-05-2018 Zero-Day

Ruhetag in Matsuyama - und Überraschung: es regnet nicht. Ich bin gegen Mittag mit der Straßenbahn einige Stationen zum berühmten  „Dogo Onsen“ gefahren, einer äusserst traditionsreichen japanischen Badeanstalt. Einen Onsen muss man einmal erlebt haben - und das geht in Japan nur, wenn man nicht tätowiert ist! Frauen und Männer  - strickt getrennt voneinander getrennt - haben jeweils einen Bereich mit mehreren unterschiedlich warmen/heißen Wasserbecken, in denen sie sich aufhalten. Nackt, und natürlich nicht ohne sich vorher ausgiebig gereinigt zu haben. Jeder bekommt ein Handtuch, das w

man allerdings nirgendwo ablegen darf, also faltet man es klein und legt es sich sich auf den Kopf ... geil. Nach den sehr angenehmen Wechselbädern (40 Minuten reichen locker) bekommt man dann in einem großen Ruheraum im Kimono grünen Tee gereicht. Heute war ein spezieller Tag, weil etliche Studenten im Onsen Kekse und Süßigkeiten herstellten und verteilten - Glück gehabt. Danach machte ich noch einen kleinen Stadtbummel, bevor ich mich spät nachmittags wieder in meine Hotel zurückzog. 

 

Über den Schüsselrand geschaut:

Der Japaner ansich (so wollte ich schon lange mal einen Satz beginnen ....) hat ja mangels Kirchen nicht wirklich viele Kirchtürme in den Ortschaften. Also fehlen ihm auch die Glocken, um wie z.B. in Deutschland zu veranschaulichen, welche Stunde es geschlagen hat. Allerdings hat jede japanische Ortschaft zahlreiche Lautsprecher, die quasi diese Kirchenglocke ersetzen - und so ertönen zu jeder vollen Stunde je nach Ortschaft unterschiedliche Melodien. Von der pausengongähnlichen Tonfolge meines Gymnasiums bis hin zu „Moonriver“ oder “Freude schöner Götterfunken“. Und wenn man sich zufällig unbewusst in unmittelbarer Nähe eines solchen Lautsprechers befindet, haut das schon ganz schön rein. (Ich hoffe, ich bekomm das noch auf Film)

 

20-05-2018 Tag am Meer

Ich verließ das APA Hotel um 6:40 Uhr und lief durch ein verschlafenes Matsuyama Richtung T52. Unterwegs waren emsige Jogger oder Kids auf Fahrrädern, die zum Sport fuhren (Baseball, Badminton).

Auf dem Weg zurück von T52 kam mir Kelly entgegen, die sich am Morgen nicht so richtig aufraffen hatte können und deshalb unüblicherweise hinter mir war. Nach Tempel 53 ging es dann fast den ganzen restlichen Tag am Meer entlang, ein traumhafter Ausblick und eine starke, kühle Brise waren meine steten Begleiter.

Kelly und ich hatten den Bahnhof von Asanami als Treffpunkt auserkoren und eine halbe Stunde nach mir traf Kelly gegen 14:20 Uhr dort ein. Eine auf den Zug wartende ältere Frau aus Matsuyama spendierte uns einen Milchkaffee in der Dose und wir beschlossen den Tag zu nutzen und bis zum Park in Onishi zu gehen. Dort schlugen wir dann um 18:00 Uhr müde unsere Zelte auf ... nach 44 KM.