Tag 123

Die Nacht war trocken und der Morgen klar – Mount Adams grinste uns mit verschneiter Unschuldsmine an, als wolle er sagen: „Wie? Regen und Graupel? Von was redest du denn, Schreiberling … und nun husch, husch – schau, dass du weiterkommst." Es blieb den ganzen Tag heiter bis wolkig, gelegentlich kam sogar die Sonne raus – der Himmel war zeitweise auch blau gefärbt, zwar kein „california blue“ – aber immerhin, man ist als Hiker ja bescheiden. Um halb zehn erreichten wir schließlich den Ort der ersehnten Trailmagic – das "Rainbow Café". Hier gaben Lisa, Josh und Sohn Sam ein grandioses Frühstück aus – inkl. heißen Kaffee! Awesome! Hier trafen wir auf einige South- und Northbounder, u.a. auch auf Bottomless und Antidode, die ich beide zuletzt an einem Wasserhahn beim LA Aquädukt getroffen hatte. Ach ja, und gestern lief mir noch Hidalgo über den Weg, der von Lake Tahoe nach Washington geflipflopt ist und nun südwärts zurück wandert.

Heute liefen wir insgesamt 29 Meilen, vorbei an den beeindruckenden Goat Rocks bis über den Cispus Pass hinaus und nächtigen bei Meile 2267. Landschaftlich wird’s so langsam, wir hatten einen unglaublichen „Rückblick“ auf Mount Adams – absolut genial!

Damned – Nutella ist schon seit 2 Tagen aus, und das Wissen, dass ich zuhause zwei volle 500gr Gläser davon im Küchenschrank habe, verbessert die Sache auch nicht … "Heimweh geht durch den Magen."

Tag 124

Heute war einer der verrücktesten Tage überhaupt – aber der Reihe nach: Um 0:27 Uhr fing es an zu regnen – und es hörte erst um ca. 10:00 Uhr wieder auf.

Aufstehen, packen und Zelt abbauen im Regen? Macht keinen Spaß. Das laufen ansich geht dann schon wieder - Wassertemperatur im Schuh: ca. 21 Grad.

Die Strecke heute, hoch auf den schwindelerregenden Berggrat der Goat Rocks, ist normalerweise ein Highlight – spektakuläre Ausblicke auf die Berge Mt. Adams, Mt. Reinier und Mt. St. Helens. 

Heute war die Sicht fast Null, es regnete, es windete und es war saukalt. Der Anstieg über Lava- und Schneefelder war rutschig und gefährlich – aber spannend und auch irgendwie genial. Leider konnte ich nicht viele (gute) Fotos machen – meine Finger waren zu nass und zu kalt, die Linse vom iPhone dauernd feucht oder beschlagen – oder der Weg war einfach zu anspruchsvoll. Das allein machte den Tag schon besonders – aber es kam noch besser:

Kurz vor dem Gipfel hatte ich die skurrilste Begegnung auf meinem PCT überhaupt – da kamen zwei junge (deutsche) Burschen um die Biegung – in kurzen Hosen, mit Rucksack unter dem Regenponcho und jeder hatte eine Gitarre in der Hand! Sie sagten, sie wären auf einem Kanu-Trip in Kanada gewesen und möchten jetzt noch ein paar Tage auf dem PCT laufen … Keine Trekkingstöcke, auf 3.500 Metern, Sauwetter, gefährliche Wegstrecke – aber die Gitarren dabei. Ok, wahrscheinlich "Wandergitarren" – aber echt jetzt, Lagerfeuerromantik hin oder her … das war so unwirklich, und ich konnte leider kein Foto machen. Immerhin gibt es Zeugen: Shiloh, Antidode und Bottomless haben die Beiden nach mir auch getroffen.

Auf einer „die skurrilsten Begegnungen auf einem eisigen Berggrat“ Skala von 1 bis 10 hätten die Beiden eine satte 7,5. 

- Der Yeti hätte eine 6,5.

- Heino (mit Gitarre) eine 8,5. 

- Heino (mit Gitarre) zusammen mit dem Yeti „blau blau blau blüht der Enzian“ singend hätte die 10!


Nach dieser denkwürdigen Zusammenkunft ging es dann wieder Richtung Tal und auch der Regen verzog sich langsam. Auf der Hälfte des unvermeidlichen nächsten Anstiegs vollzogen wir dann wieder unser Trocknungsritual und breiteten alle nassen Zeltteile und Klamotten auf einer felsigen Freifläche aus. 

Zusammen mit Antidode und Bottomless ging es dann Richtung White Pass, um an einer Tankstelle unsere erste Ressupplybox in Washington abzuholen. Die beiden hitchten dann ins 20 Meilen entfernte Packwood um dort zu übernachten. Shiloh und ich holten die Pakete ab und wollten eigentlich gleich weiter, froren aber ziemlich an der Tankstelle und dachten uns „was soll’s“ – übernachten wir auch mal wieder warm und trocken … und so hitchten dann wir auch nach Packwood, für eine Pizza und ein warmes Bett (also für jeden … mein ich).

Der Wetterbericht sagt für die nächsten 5-6 Tage mal KEINEN REGEN voraus – ich hoffe, er hat Recht. Morgen geht es weiter, auf die letzten 350 Meilen!

Tag 125

Nach unserem außerplanmäßigen Stop zum aufwärmen in Packwood, ging es heute wieder zurück auf den Trail. Eine Park Rangerin vom Mt Rainier Park nahm uns mit zum Trailhead und wir starteten um 10:15 Uhr in Richtung Snoqualmie Pass. Kurz nach Mittag erreichten wir die 2.300 Meilen Marke – noch knapp 360 Meilen zum Ziel. Der Trail heute verlief wieder viel durch den Wald, großartige Ausblicke blieben aus. Hin und wieder waren Elchspuren auf dem Weg zu sehen – aber das war’s schon. 

Um 17:30 Uhr fing es unterhalb des Gipfels leicht an zu tröpfeln, deshalb beschlossen wir 2-3 Meilen vor unserem eigentlichen Tagesziel zu campen – Meile 2309. Hoffentlich sind das nur niedrig hängende Wolken – und es regnet nicht wirklich wieder.

Tag 126

Irgendwie passte das trübe und kalte Wetter dazu, dass ich wohl etwas unsanft aus einem wunderschönen Traum erwacht bin. Immerhin regnete es nicht und das Terrain war angenehm. In aller Frühe sah ich unterhalb des Trails auf einer Wiese eine Elchmutter mit ihrem Jungen. Nur zwei etwas anstrengendere Anstiege heute – das wird sich in den nächsten Tagen leider ändern. Shiloh hatte etwas mit seinem lädierten Knie zu kämpfen und hinkte etwas hinterher. 

Als der Wind den Nebel verscheucht hatte und sich dann gegen Abend die Sonne noch etwas zeigte, bekamen wir schließlich doch noch ein paar der schönen Ansichten von Washington zu sehen. 

Wir spielten den ganzen Tag „Leapfrog“ mit Beardow, seiner Frau Sweapy und Mountain Man – alle aus New Hampshire. Den Campspot bei Meile 2331 teilen wir uns wie gestern mit „Navigator“ aus Newcastle (UK).