Der Jubiläumstag – ein Faulenzertag. Zunächst stattete ich dem benachbarten Barbershop ein Besuch ab um mein Haar zu bändigen („buzzcut“). Danach packten Shiloh und ich jeweils zwei Fresspakete, um sie einhundert bzw. zweihundert Meilen vorauszuschicken. Die Post hatte am Samstag – irgendwie schaffen wir es immer, am Wochenende in eine Stadt zu kommen – geschlossen, deshalb verschickten wir die Pakete von einem UPS-Shop aus. Danach speisten wir mit Wes und Staci, wobei ich nur eine Toskanische Tomatensuppe hatte, weil ich am Vormittag schon ein Baguette mit Käse und Schinken genascht hatte.
Am Abend war Olympia im TV angesagt – und Rucksack packen … mit der Verpflegung für 4 Tage wiegt das Ding wieder fast 20 kg.
Um 6:00 Uhr holte uns ein Taxi am Motel ab und fuhr uns mit Wes und Staci zum Trailhead. Ich hatte in Ashland auf Facebook in der "PCT Class of 2016" ein Bild meiner Regenjacke gepostet, mit dem Hinweis wo ungefähr ich sie verloren hatte - und dass es eine Pizza und Bier als Belohnung für den Finder gibt. Als wir zwei Stunden später gerade am frühstücken am Wegesrand waren, kam ein junger Hiker ("threesixty") auf mich zu und fragte mich, ob ich „Ireland“ sei, er hätte meine Regenjacke! Er hatte sie in Seiad Valley in der Hikerbox* gefunden, sie ist mir wohl vor dem Café aus dem Rucksack gefallen, als ich das frisch gekaufte Essen einpackte. DAS ist Trailmagic!
An diesem Tag liefen uns mehr und mehr Southbounder über den Weg – insgesamt sollen dieses Jahr so an die 150 von Kanada nach Mexico unterwegs sein.
Wir trafen unterwegs „Dirty Gil“ aus Florida wieder und „Sweep“ aus Seattle. Gecampt haben wir im „Horse Camp“ am Hyatt Lake, einem Campingplatz für Reiter – jeder Plstz inklusive Umzäunung für die Pferde, Picknicktisch und Feuerstelle …. Shiloh und ich waren aber die einzigen Gäste an diesem Abend.
* Hikerbox: eine oder mehrere Schachteln in Unterkünften, Geschäften oder Lokalen an Trail, in die Hiker Dinge für andere Hiker legen, die sie nicht oder nicht mehr benötigen. Zum Beispiel Kleidung, Lebensmittel, Landkarten, Ausrüstungsgegenstände.
Gegen 5:00 Uhr wurden wir von kanadischen Gänsen geweckt, deren Geschrei über den ganzen See hallte – egal, war eh unsere Zeit. Nach Zwei Stunden auf dem Trail hatten wir dann Wes und Staci wieder eingeholt, die gestern 1-2 Meilen weiter gelaufen waren. Ein Sobo erzählte uns, dass es einige Meilen weiter in einer Schutzhütte (wo auch das nächste Wasser auf uns wartete) Trailmagic gegeben hatte – aber er habe die letzte Flasche Gatorade erwischt … Mist, wohl kein Glück diesmal.
Als wir die Hütte erreichten um Wasser zu filtern, waren da schon 6-7 andere Hiker und saßen im Schatten. Wir pumpten Wasser aus einer Bodenpumpe, filterten es und gingen wieder zurück auf den Trail. Auf halbem Weg zwischen Hütte und Trail kam uns eine ältere Dame mit zwei Hunden entgegen und meinte, wir sollten doch noch etwas warten, gleich gebe es Snacks, Obst und kaltes Bier!
Kurz darauf kam dann auch ihr Mann mit zwei Hikern, die Kühlboxen voll mit Snacks und Getränken brachten …. das Glück der Tüchtigen war wieder mal auf unserer Seite. „Fortune favours the brave“.
Danach ging es noch 5 Meilen durch felsiges Gelände (vulkanisch??) bevor wir nach insgesamt 26.6 Meilen unsere Zelte direkt neben dem Trail aufschlugen. Wes und Staci sind wieder ein paar Meilen weiter – die werden wir bestimmt morgen wieder einholen.
(18:34 Uhr, Meile 1768)
10 Tage nicht laufen, ausruhen und die Füße hochlegen – das werd ich tun, wenn ich wieder zuhause bin. Ein paar „Spezialisten“ werden jetzt sagen, „ach – du gehst arbeiten?“ Nope … zumindest nicht gleich, dieser Übergang wäre dann wohl doch etwas krass. Habe heute „Heartbreaker“ wieder getroffen, er kommt aus der Nähe von Stuttgart. Kurze Geschichte zu ihm:
Ich habe ihn ja in der Hiker Hut in Etna kennen gelernt, und dann kam er mir zwei Tage später plötzlich auf dem Trail entgegen – Richtung Süden laufend. Er hatte in Etna auf mehrere Pakete aus der Heimat gewartet, die allerdings bis Freitag nicht ankamen. Also hätte er bis Montag warten müssen, dass das Postamt wieder öffnet. Aber unser Cleverle ist einfach nach Seiad Valley voraus getrampt, um von dort zurück nach Etna zu laufen. Dann konnte er dort die Pakete am Montag abholen (2 von 3) und anschließend wieder nach Seiad Valley trampen, um den Trail Richtung Kanada fortzusetzen. A echter Schwob halt ….
Langsam schließen wir zu der „Bubble“ auf … habe heute bestimmt an die 25 andere Hiker gesehen.
Der Vormittag verging wie im Flug, leicht bergauf, aber im Wald und angenehm zu laufen. Wir wollten Oregon schon über den grünen Klee loben (doofer Ausdruck) – aber dann kam die bisher am schlechtesten gepflegte Strecke auf dem PCT: auf über 10 Meilen lagen bestimmt an die 250 Baumstämme quer über dem Weg. Zum Teil musste man drüber klettern, zum Teil sich außen herum durchs Gebüsch schlagen. Das war nervig und anstrengend. Und dann gab es auch noch auf 15 Meilen kein Wasser. Wes, Staci, Shiloh und ich schleppten uns quasi mit den letzten Tropfen und ziemlich erschöpft zum Creek bei Meile 1796 (es war ein 29,7 Meilen Tag). Dort hab ich erst mal einen Liter auf Ex getrunken und für die Nacht weitere 2,5 Liter abgefüllt. Wir haben gleich um die Ecke einen tollen, ruhigen Campspot gefunden und machen uns Morgen auf den Weg nach Mazama Village am Crater Lake (24 Meilen), wo auf jeden von uns vier ein Fresspaket wartet. Außerdem habe ich mir bei Amazon dorthin ein neues T-Shirt bestellt, und eine Regenjacke …